Austernsammlerinnen in Cancale


Oyster Gatherers of Cancale
John Singer Sargent, 1878

John Singer Sargent (1856-1925) wurde als Sohn amerikanischer Eltern in Florenz geboren und erhielt schon in jungen Jahren Malunterricht in Rom und Paris. Als er mit 22 Jahren Cancale kennen lernte, hatten ihn zahlreiche Reisen bereits durch weite Teile Europas geführt. Auch wenn er selbst kein Impressionist war, stand er doch der impressionistischen Strömung nahe. Mit Claude Monet verband ihn eine enge Beziehung, von der eines seiner bekanntesten Werke, das Portrait des an einem Waldrand malenden Monet (1885) Zeugnis ablegt.

Das Bild "Die Austernsammlerinnen von Cancale" aus dem Jahr 1878 (Öl auf Leinwand, 24 x 36 cm, Corcoran Gallery of Art, Washington) ist ohne Zweifel eines der schönsten Bilder, die jemals von Cancale geschaffen wurden.

 

Vor den Parcs à Huîtres unterhalb des Leuchtturms, der 1863, also erst 15 Jahre vor der Entstehung des Bildes errichtet worden war, bewegt sich eine Gruppe von vier Cancalaiser Frauen und zwei Kindern auf dem Strand in Richtung Wasser.
Die ablaufende Flut scheint gerade eben erst den Strand freigegeben zu haben, spiegelt sich doch der blaue Himmel mit seinen hellen Wolken noch in ausgedehnten Pfützen im nassen Sand, die die Frauen mit ihren klobigen Holzschuhen durchschreiten.
Alle vier Frauen tragen Hauben auf ihren Köpfen, die zentrale Gestalt im Vordergrund eine weiße, typisch Cancalaiser Spitzenhaube, von der man sagt, die Formen des Rocher de Cancale hätten ihr zum Vorbild gedient.
Unter ihrem Arm tragen die Frauen die ebenso typischen, länglichen Flechtkörbe, in denen sie die Austern sammeln.
Die Holzschuhe, die Körbe und die Hauben kennzeichnen die Cancalaiserin des 19. Jahrhunderts. Was auffällt ist die Abwesenheit männlicher Gestalten auf dem Bild. Nur am rechten Bildrand unterhalb des Leuchtturms erscheint ein Mann, der im Bildhintergrund fast zu verschwinden scheint. Mag auch Sargents Hauptmotiv die Darstellung der Cancalaiser Frauen gewesen sein, erklärt sich diese Absenz der Männer auch aus der Jahreszeit, in der das Bild geschaffen wurde. Es ist ein Sommertag oder zumindest ein warmer Frühlingstag, an dem die Frauen ihrer Beschäftigung nachgehen. In dieser Zeit war ein großer Teil der männlichen Bevölkerung von Cancale auf den Schiffen, die vor Neufundland auf Fang gingen. In diesen Frühlings- und Sommermonaten war in vielen Cancalaiser Familien die Frau diejenige, die durch ihre Arbeit den Lebensunterhalt der Familie sicherte.

Auffällig ist auch die dunkle Kleidung der jungen Frau in der Bildmitte. Ihre schwarze Kopfbedeckung und der gesenkte Blick stehen in einem deutlichen Kontrast zur weißen Haube und der aufrechten Haltung ihrer Begleiterin. Die dunkle Kleidung, die schwarze Haube und besonders die tröstende Nähe, die ihre Körperhaltung zu ihrer Begleiterin sucht, lassen es vermuten, dass sie eine der vielen Frauen und Mütter ist, die ihren Mann schon in jungen Jahren in den Fluten der See verloren.

Hervorragende Informationen über John Singer Sargent, seine Austernsammlerinnen und Cancale zur Zeit des Künstlers bei

http://www.jssgallery.org/Paintings/10076.html.


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